Zum Sonntag Judika am 29.03.2020

von Pfrin. Dr. Heidi Buch

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Leser und Leserinnen,

heute am Sonntag Judika wollten wir in unserer Gemeinde die Goldene und Diamantene Konfirmation feiern. So schmerzt es mich doppelt, dass wir heute keinen Gottesdienst feiern können. Ich hatte mich auf die vielen Goldenen aber auch über die sehr zahlreichen Diamantenen Konfirmanden gefreut. Mit Vorfreude hatten wir, die beiden Verantwortlichen der ehemaligen Konfirmanden und Konfirmandinnen und ich, den „Jubelgottesdienst“ vorbereitet. Nun wird dieser Gottesdienst erst im kommenden Jahr stattfinden können.
Die Corona-Krise macht vielen Planungen einen Strich durch die Rechnung. Ich denke in diesen Tagen ganz besonders an die Menschen in Italien, Spanien und im Elsass – die Kranken, die Angehörigen, die Ärzte, die Pfleger… Welch eine Vorstellung sich nicht verabschieden zu können – so viele Verstorbene und Kranke.
Und dennoch bin ich auch dankbar: wir sitzen, wenn auch in unseren sozialen Kontakten sehr eingeschränkt und unter völlig anderen, neuen Arbeitsbedingungen, im Warmen, haben genug zu essen und es scheint die Sonne. Ich will dabei nicht vergessen, dass es auch schwierige Situationen gibt: in räumlich beengten oder gestressten Familien, in den Supermärkten, bei und in den kleinen und großen Geschäften und Betrieben…

Wir sind mitten in der Passionszeit. Es ist heilsam auch einmal wieder von sich und unserer Situation absehen zu können und auf den Leidensweg Jesu Christi zu blicken.
Im Wochenspruch heißt es: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zur Erlösung für viele.“ (Mt. 20,28)

Gebet

Wir können keinen Gottesdienst feiern, 

aber wir wollen dennoch zu dir beten und auf dein Wort hören. 

Schenk uns offene Ohren und Geduld. 

Schenk uns Worte, die andere trösten. 

Schenk uns den Mut, dir zu vertrauen. 

Wir bitten dich, wende dich uns zu. 

Laß uns dich immer wieder neu entdecken 

und neu von dir reden. 

AMEN.

Psalm 43 / EG 724

Kreuz

Gott, schaffe mir Recht

und führe meine Sache wider das unheilige Volk

und errette mich von den falschen und bösen Leuten!

Denn du bist der Gott meiner Stärke:

Warum hast du mich verstoßen?

Warum muss ich so traurig gehen,

wenn mein Feind mich dränget?

Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten

und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,

dass ich hineingehe zum Altar Gottes,

zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,

und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.

Was betrübst du dich, meine Seele,

und bist so unruhig in mir?

Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,

dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

Evangelium für den Sonntag Judika (Mk. 10,35-45)

Vom Herrschen und vom Dienen

35 Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden.

36 Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue?

37 Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.

38 Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?

39 Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde;

40 zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.

41 Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.

42 Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.

43 Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;

44 und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.

45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

Liebe Gemeinde,

lässt es uns nicht schmunzeln, dass es unter den Jüngern Jesu oft so ganz normal zugeht. Da streiten sie sich – wie es aussieht –, wer der Wichtigste ist und wem der beste Platz in Jesu Nähe zusteht.

Diese Wichtigtuerei auch unter uns ist oft sehr ermüdend und ärgerlich. Ganze Gruppen oder Vereine können unter denen leiden, die zwar behaupten, für die Sache und das Ziel zu brennen, aber dann nur ihren persönlichen Ehrgeiz im Mittelpunkt sehen.

Auch in unseren Reihen wirkt manches so, als wäre es nicht nur zum Lobe Gottes gedacht. Und wer ehrlich ist: Man selbst ist das eine oder andere Mal doch auch versucht, sich für besonders wichtig zu halten!

In Jesu Augen gehört das zum alten Denken und passt nicht mehr in die Vorstellung einer neuen Welt, in der andere Gesetze gelten. Rückfälle gab es nicht nur bei den Jüngern. Immer wieder ist die Frage da: Was ist richtig? Und wie oft hören wir dann: So wie wir es schon immer gemacht haben.

Die ersten Ermüdungserscheinungen in den christlichen Gemeinden sind schon aus dem ersten Jahrhundert bekannt und gegen sie wurde mit viel Elan angeschrieben, angepredigt und auch nochmals wieder ganz neu über die Botschaft von Jesus Christus und ihre Deutung für das Jetzt nachgedacht.


Der Hebräerbrief, aus dem der heutige Predigttext stammt, ist das Ergebnis solcher damals neuer Überlegungen.

Hier ist der Predigttext aus dem 13., dem letzten Kapitel des Hebräerbriefes:

12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.
13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.
14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
(Hebr. 13,12-14)

Vielleicht geht es ihnen wie mir beim ersten Hören. Es sind die Wörter: Leiden, Mitleiden und zukünftige Stadt, die in meinem Kopf hängenblieben.
Das Thema „Leiden“ höre ich jetzt in der Zeit der Corona-Krise nochmals ganz neu. Nicht weglaufen, da sein, Solidarität zeigen, Rücksicht nehmen und zeigen - unseren Nächsten, unseren Mitmenschen – allen Menschen - gegenüber. Aber auch: der Passion Jesu und aller Leidenden gedenken, zu Hause, allein, beim 18.00 Uhr Abendläuten, beim deutschlandweiten 19.30 Uhr Gebetsläuten, zu den Gottesdienstzeiten, beim Gebet in der Kirche... Da ist einer, der für uns gestorben ist, so dass wir keine Opfer mehr bringen müssen – vor Gott stehen wir aufrecht und frei.

Wir gehen weiter, nichts bleibt ewig wie es ist, wir haben hier keine bleibende, feste Stadt wie sehr wir unser Städtchen auch lieben. Wir möchten hier auf dieser Erde noch eine ganze Weile gesund im Kreis unserer Familie, unserer Freunde und unserer Nachbarn leben. Die zukünftige Stadt zeigt uns auf, wie es sein könnte. Eine Stadt, in der Menschen solidarisch sind, jeder und jede eine Wohnung hat, es für jeden genug zu essen gibt, keiner krank ist und leidet. In den Familien gibt es keine Gewalt und keinen Stress, Konflikte werden friedlich gelöst. Es gibt auch keine Hektik und keinen Aktionismus – die Menschen haben Zeit und sind einander zugewandt.
Jede Krise zeigt auch, was uns fehlt. Das Bild der zukünftigen Stadt möge auf unser jetziges Leben ausstrahlen und dieses schon jetzt zum Positiven verändern.

Der Hebräerbrief wirbt für eine Ethik der Liebe, die wir als Christen vorleben können. Aus unserem Glauben an Gott sind wir aufgefordert, nach dem Guten zu streben und darin Jesus nachzufolgen. Wir können das, weil wir glauben dürfen, dass wir auf dem Weg in Gottes zukünftige Stadt sind.

Fürbitten

Ungewissheit und Angst erfüllen in diesen Tagen unsere Gedanken.
Wir sind in Sorge.
Wir sorgen uns um unsere Lieben.
Wir vertrauen sie deiner Fürsorge an.
Behüte und bewahre sie.

Wir sorgen uns um das Zusammenleben in unserem Land.
Wir schauen auf das, was kommen wird.
Wir sind hilflos.
Der Corona-Virus bedroht die Schwachen.
Wir vertrauen die Kranken deiner Fürsorge an.
Behüte und bewahre sie.

Wir bitten für die Sterbenden – behüte sie und erbarme dich.
Wir bitten für die Jungen –
behüte sie und erbarme dich.
Wir danken dir für alle, die in Krankenhäusern und Laboren arbeiten. Wir danken dir für alle, die Kranke pflegen, Eingeschlossene versorgen und sich um das Wohl aller mühen. Behüte und leite sie.

Du bist unsere Hilfe und Stärke. Behüte uns, bewahre uns und erbarme dich.
AMEN.

Es segne uns, Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. AMEN.